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Accra – Die Holztreppe schwangt ein wenig, doch Daniel Mensah klettert geschickt die 15 steilen Stufen hinauf in den ersten Stock. Hier, direkt über seiner Werkstatt, breitet er beide Arme aus, strahlt und zeigt auf seine neueste Arbeit. Er macht ein paar Schritte nach hinten und hockt sich neben einen weißen Hubschrauber. Einen Propeller hat er schon, doch die beiden Flügel müssen noch angeklebt werden. „Das wäre doch optimal für einen Piloten“, sagt er und streicht vorsichtig über das Holz, das nach frischer Farbe riecht. Zu Dekorationszwecken ist der eineinhalb Meter lange Hubschrauber jedoch nicht gedacht, im Gegenteil. Er wird nur ein einziges Mal seinen großen Auftritt haben: auf dem Weg zum Friedhof. Der Hubschrauber ist ein kunstvoll gearbeiteter Sarg und sein Erschaffer, Daniel Mensah, einer der bekanntesten Sargkünstler in Ghana in Westafrika.

Nachdem er die originelle Holzkiste ausgiebig begutachtet hat, geht Mensah zu einem weiteren ungewöhnlichen Exemplar. Es ist ein riesiger Mehlsack in Holz, auf dem er fein säuberlich sogar eine Mengenangabe – 50 Kilogramm – geschrieben hat. „Der hier ist etwas für einen Bäcker“, sagt er und macht die Klappe vorsichtig auf. Ausgestattet ist er mit hellgrauem, glänzenden Stoff. Die Sargnägel sind verspielt. Aus der Werkstatt im Erdgeschoss erklingt das rhythmische Geräusch einer Säge. Zwei Auszubildende hat Mensah gerade.

 

Der letzte Feinschliff fehlt noch: Daniel Mensah präsentiert einen Hubschrauber als Sarg.

Die ersten Ideen für ausgefallene Särge sammelte der Ghanaer ab 1984, als er bei Paa Joe in die Lehre ging. Ausgesucht hatte sich Mensah den Beruf des Sargschreiners allerdings nicht. Stattdessen hatte sein Vater darauf bestanden. Im Nachhinein war die Entscheidung ein Segen, da sein Lehrmeister heute als bekanntester Sargkünstler gilt. Gerade wird sogar eine Dokumentation über ihn auf Filmfestivals in Europa gezeigt. Das renommierte British Museum in London kaufte Paa Joe außerdem einen Sarg in Gestalt eines Adlers ab.

Neben der großen Anerkennung zeigt das auch, dass mit Logistik und Aufwand die Särge zu Kunden auf der ganzen Welt verschickt werden können. Das wäre auch für Daniel Mensah, der sich 1998 mit „Hello Design Coffin Works“ in Teshie am Rande der ghanaischen Hauptstadt Accra selbstständig gemacht hat, kein Problem. Eine Bedingung gibt es jedoch: Der Sarg lässt sich nicht im Internet auswählen. Stattdessen ist er das Ergebnis eines persönlichen Gesprächs. Dann ist jedoch auch eine Beisetzung in Deutschland möglich. Laut Oliver Wirthmann, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Bestatter, muss lediglich geklärt werden, ob der Sarg ein Vollholzwerk ist und die genutzten Farben nicht schädigend für das Erdreich sind.

Kunstsärge als Luxusobjekte

Doch so sehr die Särge, die er an der lauten und oft verstopften Durchgangsstraße präsentiert, Hingucker und Kunstwerk zugleich sind, für Mensah und seine Familie ist es mitunter schwierig, von ihnen zu leben. Ein Sarg kostet je nach Größe und Arbeitsaufwand bis zu 1000 Euro. In einem Land, in dem das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf 2015 bei umgerechnet rund 1220 Euro lag, ist das viel Geld. Manchmal verkauft Mensah deshalb über Monate kein einziges Exemplar. Ein weiterer Grund ist, dass die meisten Angehörigen letztendlich doch schlichte Holzsärge in Braun und manchmal in Weiß auswählen. Muslime wickeln ihre Toten traditionell in Tücher.

Trotzdem wird vor allem bei christlichen Beerdigungen oft viel Geld ausgegeben, wofür sich manchen Familien über Jahre verschulden. Die Feiern dauern mitunter eine ganze Woche bis zur eigentlichen Beisetzung. Jeden Abend müssen Verwandte, Freunde und Nachbarn beköstigt werden. Wer kann, engagiert eine Band oder zumindest einen DJ, lässt die Beerdigung filmen und gleich mehrere neue Kleider nähen. Längst wird nicht nur der Verstorbene betrauert, sondern vor allem das Leben gefeiert.

Das passiert auch, wenn ein Ga in einer Ananas, einem Boot oder sogar einer Bierflasche zu Grabe getragen wird. Die Ga, eine ethnische Gruppe, die im Süden Ghanas sowie im angrenzenden Nachbarland Togo beheimatet ist, gelten schließlich als Urheber der Fantasiesärge. Die ersten entstanden vor rund 70 Jahren. Ihrem Glauben zufolge geht das irdische Leben im Jenseits weiter, weshalb Särge oft an einst ausgeübte Berufe erinnern. Da bis heute viele Männer als Fischer arbeiten, schreinert Daniel Mensah besonders häufig Fische und Boote.

 

Probeliegen im Sarg? Eric Adjetey Anang lacht darüber und zeigt gerne den selbst geschreinerten Fisch.

Wunscherfüllung auf der letzten Reise

Eine andere Überlieferung besagt, dass die Särge auch unerfüllte Wünsche ausdrücken. So soll der 1992 verstorbene Künstler Seth Kane Kwei seiner Mutter in den Anfangsjahren der Sargkunst ein Flugzeug geschreinert haben. In den 1950er Jahren wurden die ersten Flughäfen gebaut und die landenden und startenden Maschinen mit einer Mischung aus Neugier, Begeisterung und Skepsis bestaunt. „Meine Urgroßmutter hätte so gerne einmal in einem Flugzeug gesessen“, sagt heute Urenkel Eric Adjetey Anang, der ebenfalls Kunstsärge schreinert. Der Sohn machte es auf eine etwas andere Art möglich und ließ seine Mutter in einem Flugzeug bestatten.

In Teshie präsentiert Daniel Mensah nun seinen zweiten Ausstellungsraum, der über dem Wohnhaus der Familie liegt. Es geht vorbei an einem großen Föhn zu einer grünen Bierflasche. Wenn diese als Sarg zu gewagt ist, dann könnte sie als originelles Regal in einer Bar genutzt werden, sagt Mensah. Damit spielt er auf kritische Stimmen an. Auch wenn die Särge es in Museen und Ausstellungen auf der ganzen Welt schaffen, sind sie bei einigen Kirchen in Ghana verpönt. „Spirituelle Bewegungen sind lockerer. Alte Kirchen wie die Baptisten und Methodisten genehmigen sie aber häufig nicht“, lautet seine Erfahrung. Als er davon erzählt, verzieht er fast spöttisch das Gesicht. „Eine Colaflasche als Sarg? Warum denn nicht“, sagt er entspannt. Letztendlich sei es doch nur ein kleines Kunstwerk aus Holz, das maximal für ein paar Stunden zu sehen sei.

 

Neben Talent brauchen die Sargkünstler handwerkliche Fähigkeiten und Geschick.

Mensah blickt über die Straßen in Richtung Meer. Später soll sein Sohn Silas, der gerade als Schreiner bei seinem Vater in der Ausbildung ist, das Geschäft übernehmen und die Tradition fortsetzen. Und irgendwann muss sich auch Daniel Mensah entscheiden, ob er in in einer großen Säge oder doch lieber einem Fisch bestattet werden will. Er lacht heiser auf, so oft hat er die Frage danach schon gehört: „Ich habe wirklich keine Vorliebe und gehe mit der Mode. Wer weiß, was in zehn oder zwanzig Jahren mal angesagt ist.“ Mulmig wird ihm bei diesem Gedanken jedoch nicht. Er hält es mit dem Glauben und der Tradition der Ga. Der Tod sei schließlich nur der Wechsel in eine andere Welt.

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