Digitalisierung und Kinder: Was Eltern beachten sollten
Millionen von Kindern wachsen heutzutage in der digitalen Welt auf. Doch neben neuen Möglichkeiten bringt die Digitalisierung auch Risiken mit sich. Hier erfahren sie, auf welche Weise man Smartphones, Laptops und die Sozialen Netzwerke optimal in das Leben der Kinder einbinden kann.
Der Ausdruck „Digital Natives“ beschreibt Kinder, die mit der Digitalisierung groß werden. Das sind per Definition wohl fast alle Kinder, die heutzutage in Deutschland aufwachsen. Aber nicht nur für Kinder, sondern auch für sehr viele Erwachsene sind Smartphone, Tablet und Laptop längst tägliche Begleiter, wichtigstes Kommunikationsmittel, Fernbedienung, Unterhaltungscenter und primäre Informationsquelle. Die modernen Geräte bieten viele Vorteile, machen den Alltag leichter oder überhaupt erst möglich – aber bergen natürlich auch Risiken: Bildschirmsucht oder eingeschränkte Aufmerksamkeit für unsere Umwelt sind nur einige davon.
Die digitale Welt ist für uns also kein unbekannter, mysteriöser Ort mehr. Wie aber sieht die Rolle des Smartphones und die Rolle der Digitalisierung in der Welt unserer Kinder aus? Ab wann ist es sinnvoll, Minderjährigen ein Smartphone in die Hand zu drücken? Und dürfen sie dann so lange damit hantieren, wie sie wollen oder muss die Bildschirmzeit eingeschränkt werden? Diese Fragezeichen sind auch für Menschen, die selbst schon lange Smartphones nutzen, noch immer erschreckend groß – aber nicht unlösbar.
ES GIBT EIN EMPFOHLENES MINDESTALTER FÜR SMARTPHONES
In der Grundschule gestaltet sich die Antwort auf die Frage, ob das Kind ein Smartphone benötigt, noch recht einfach, da sind sich Pädagogen wie Wissenschaftler weitestgehend einig: Beide Gruppen raten Eltern davon ab, dem Kind ein hochfunktionales Handy mit Internetzugang zu schenken. Ein Notfallhandy allerdings, mit dem der Nachwuchs bei Bedarf telefonisch oder via SMS erreicht und sogar via GPS geortet werden kann, sei allerdings durchaus sinnvoll.
Dabei ist besonders praktisch, dass einige dieser Notfallhandy-Modelle auf besondere Art und Weise „kindersicher“ gemacht werden können: Viele Geräte bieten eine Funktion an, die Eltern den Anruf auf das Notfallhandy erlaubt, für die Kinder selbst aber nur bestimmte Rufnummern zugänglich macht. So können Erziehungsberechtigte verhindern, dass der Nachwuchs aus Langeweile oder einer Mutprobe heraus bei der Polizei oder Feuerwehr durchklingelt.
Werden die Kinder älter und lassen die Grundschule hinter sich, sieht die Sache mit den Smartphones allerdings allmählich anders aus. Ab der fünften, spätestens sechsten Klasse ist für die Mehrheit der Schüler das Smartphone fester Begleiter im Alltag: Laut einer Erhebung von Statista aus dem Jahr 2019 besitzen 95% der Kinder im Alter von 12 bis 13 Jahren ein eigenes Smartphone.
WAS IST DIE REALITÄT?
Doch die Realität schaut oft anders aus: Eine Studie in Australien, Neuseeland, den USA und Großbritannien zeigt, dass mehr Zwei- bis Fünfjährige in der Lage sind, Apps zu bedienen, als ihre Schnürsenkel zu binden oder Fahrrad zu fahren.
Aufgrund der Vielfalt der Geräte, Apps und den unterschiedlichen Bedürfnissen und Verwendungszwecken der Kinder wird es für Eltern immer schwieriger zu erkennen und zu prüfen, wie und in welchem Umfang die Kinder die digitalen Geräte nutzen.
Vielfach hört man die Ansicht, dass die ständige Nutzung der digitalen Technologie die Aufmerksamkeitsspanne und die Fähigkeit, bei anspruchsvollen Aufgaben durchzuhalten, deutlich reduziert. Das ist in der Forschung zwar umstritten, doch es gibt immer mehr Beweise dafür, dass der ständige Gebrauch von digitalen Geräten das Verhalten der Kinder aufgrund der starken Stimulationen und der schnellen Aufmerksamkeitswechsel beeinflusst. Ein solches Aufmerksamkeitsdefizit wird vermutlich sogar noch gesteigert, wenn Kinder das Smartphone als „Second Screen“ nutzen.
Trotzdem sollten sich Eltern eingestehen, dass virtuelle Welten, Social Media Netzwerke und Spiele schnell zu einem Teil der Welt für kleine Kinder werden oder bereits Teil ihrer Welt sind. Anstatt diese digitalen Welten lediglich als irrelevant oder sie sogar als potenziell schädliche Umgebungen abzutun, ist es an den Eltern, Wissenschaftlern und Pädagogen, die Möglichkeiten zu erkennen und den Kindern dabei zu helfen, aus ihrem spielerischen Engagement in diesen Welten etwas zu gewinnen. Kindergärten und Schulen müssen dafür sorgen, diese positiven (Lern-)Erfahrungen auszubauen.
Hierbei sollte man sich außerdem damit beschäftigen, in welchem Umfang Fotos des Kindes im Web veröffentlicht werden sollten und welche Folgen das Posten von Fotos mit sich bringt.
MEDIENKOMPETENZ IST DAS SCHLÜSSELWORT
Statt also die Anschaffung eines Smartphones möglichst lange hinauszuzögern, sollten sich Eltern stattdessen die Zeit nehmen, mit ihren Kindern über die Möglichkeiten, aber auch Risiken des Geräts zu sprechen. Hier seien laut Medienpädagogen vor allem ganz grundlegende Hinweise wichtig: Anrufe sollten nicht aus einer Langeweile heraus getätigt werden, ein Chat ersetzt kein echtes Gespräch, das Smartphone soll Begleiter, nicht Zentrum des Alltags werden.
Doch auch wer die Medienkompetenz der eigenen Kinder schärft, muss damit rechnen, dass vor allem kurz nach der Anschaffung das Smartphone unübersehbare Spuren im Leben des Kindes hinterlassen kann: So weisen Studien seit Jahren auf die Möglichkeit hin, dass der häufige Smartphone-Gebrauch zu Sprachstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Hyperaktivität führen kann. Hier sind Eltern gefragt, aufmerksam Verhaltensänderungen ihrer Kinder im Blick zu behalten und einen offenen Austausch über das Smartphone, Tablet und Computer zu pflegen. Wenn es Eltern gelingt, auf Augenhöhe mit dem Nachwuchs über dieses faszinierende, neue Gerät zu sprechen, stehen die Chancen gut, dass die Kinder einen gesunden Umgang mit dem Handy erlernen.
Und diese Gespräche können sich lohnen, denn Smartphones und digitale Geräte bergen natürlich nicht nur Risiken für die Erziehung und Entwicklung der Kinder, sondern auch Chancen und Erleichterungen: Mittlerweile gibt es hunderte Lern-Apps, die bei den Hausaufgaben helfen und spielend zum Lernen motivieren können. Und auch hier ist es wiederum wichtig, dass Eltern ihren Kindern beibringen, nicht sofort auf jede Nachricht reagieren zu müssen, die während der Lernzeit in der App erscheint.
ZUHÖREN UND BEGLEITEN
Egal wie alt Kinder sind, die Eltern sollten sich immer Zeit nehmen und für sie da sein. Auch und vor allem, wenn es um digitale Medien geht. Neue Apps sollten gemeinsam ausgesucht und gemeinsam getestet werden. Für Eltern ist es wichtig, dass auch die Kinder die Eltern als Ansprechpartner bei Problemen sehen. Es gilt zuzuhören, wenn die Kinder von den letzten Erlebnissen in Ihrem Lieblingsspiel berichten. Das stärkt Vertrauen und Kompetenz auf beiden Seiten und mit zunehmendem Alter können die Kinder selbständig in die digitale Welt der Smartphones entlassen werden.
DIE BESTEN APPS FÜR KINDER
Bei Smartphone-Apps den Überblick zu bewahren ist für Eltern nicht immer einfach. Deshalb wollen wir mit der folgenden Liste helfen, die Spreu vom Weizen zu trennen, geben Tipps für den altersgerechten Umgang und empfehlen ein paar konkrete Apps, mit denen Ihre Kinder Spaß haben werden.
GUTE UND SCHLECHTE APPS
Welche App für Ihr Kind geeignet ist, lässt sich anhand der folgenden Kriterien herausfinden:
FÜR JEDES ALTER DIE RICHTIGE APP
Ab welchem Alter Kinder erste Erfahrungen mit Smartphone-Apps sammeln sollten lässt sich nicht pauschal sagen. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, ab dem 3. oder 4. Lebensjahr mit einfachen Apps wohldosiert anzufangen.
Ähnlich wie bei Filmen (FSK) gibt es auch bei Computerspielen eine freiwillige Selbstkontrolle (USK), die auch Altersempfehlungen für Apps veröffentlicht. Eine Alterskennzeichnung sagt nichts darüber aus, ob ein Spiel pädagogisch besonders wertvoll ist.
Es garantiert lediglich, dass die Software aus Sicht des gesetzlichen Jugendschutzes unbedenklich ist. Ob eine App für das eigene Kind geeignet ist, muss man als Mutter oder Vater am Ende selbst entscheiden. Genauso wie bei Filmen verarbeiten Kinder mediale Inhalte teilweise sehr unterschiedlich. Manche Sechsjährigen schauen sich schon die ersten Star Wars Filme an, anderen ist die Zeichentrickserie Paw Patrol spannend genug.
Google blendet im PlayStore bei den meisten Apps die USK-Empfehlung ein, im Apple-Store beruht die Alterseinstufung auf einem eigenen, internen System, bei dem die Hersteller ihre Apps selbst einstufen.
KOSTENLOS GIBT ES NICHT
Die Charts in den App-Stores werden von, nur auf den ersten Blick, kostenlosen Apps und Spielen angeführt. Sie können aber davon ausgehen: ein kommerzieller Anbieter wird niemals eine aufwändig produzierte App wirklich kostenlos anbieten. Meistens sind diese Apps aber nur Lockmittel.
Bezahlt wird dann entweder mit Ihren persönlichen Daten, die für Werbeeinblendungen genutzt werden oder zusätzlichen In-App-Käufen, mit denen das Spiel erst richtig spielbar und unterhaltsam wird. Wenn sie die Wahl haben zwischen einer solchen Free-to-Play App und einer vergleichbaren App, die ein paar Euro kostet, sollten Sie in den meisten Fällen der kostenpflichtigen Variante den Vorzug geben.
Wenn das Kind unbedingt ein bestimmtes Free-to-Play Spiel haben möchte (weil es z.B. alle anderen Freunde auch spielen), dann ist es an den Eltern, ihm zumindest zu erklären, wie dieses Spielprinzip funktioniert, wie es auf aufpoppende Werbung reagieren soll und zu prüfen, ob man das Spiel vielleicht offline im Flugzeugmodus spielen kann. Das sorgt dafür, dass weniger persönliche Daten abfließen und keine Werbung eingeblendet wird.
DATENSCHUTZ UND DATENSICHERHEIT
Schauen Sie sich immer genau an, welche Daten und Freigaben die jeweilige App anfordert. Eine einfache Puzzle-App braucht keinen Zugriff auf die Standortdaten des Smartphones. Man sollte dazu auch vor dem Download die Rezensionen im App-Store lesen und nach dem Download prüfen, ob die App-Einstellungen auf Ihrem Smartphone sinnvoll und sicher sind.
IOS UND ANDROID ABSICHERN
Android und iOS bieten einige Möglichkeiten die Geräte für Kinder abzusichern. Am wichtigsten ist, dass die Kinder selbständig keine In-App-Käufe durchführen können. Vor dem Download oder Kauf einer App sollte die Genehmigung der Eltern eingeholt werden müssen.
In den Jugendschutzeinstellungen wird festgelegt, dass z.B. nur Apps oder Webinhalte bis zu einer bestimmten Alterseinstufung angezeigt werden. Und bei beiden Betriebssystemen kann auch die Nutzungsdauer für Apps vorgegeben werden, also wieviel Zeit ein Kind mit welcher App verbringen darf bevor eine Bildschirmsperre kommt.
All diese Maßnahmen und Einstellungen ersetzen aber niemals die elterliche Begleitung der Kinder bei der Smartphonenutzung. Seien Sie hier für Ihr Kind immer ansprechbar, besprechen Sie mit Ihrem Kind, wie es mit Inhalten umgeht, die es vielleicht verstörend findet, und legen Sie klare Familienregeln zur Smartphonenutzung fest, z.B. mit dem Mediennutzungsvertrag.
VOR DEM DOWNLOAD INFORMIEREN
Zur Einschätzung von Kinder-Apps gibt es einige gut gemachte und zuverlässige Informationsquellen, die Kinder-Apps ausführlich begutachten und Altersempfehlungen abgeben.
Das Deutsche Jugendinstitut führt eine umfangreiche Datenbank mit Kinder-Apps, die Bundeszentrale für politische Bildung bespricht auf spielbar.de einzelne Spiele und gibt Praxistipps zum Umgang mit digitalen Medien, beim Kindersoftwarepreis Tommi werden gute Apps von Kindern selbst prämiert und der Spieleratgeber NRW hat regelmäßig neue Kinder-App-Besprechungen.
APP-EMPFEHLUNGEN FÜR KINDER:
- Die Fiete-Apps
Rund um den Seemann Fiete ist in den letzten Jahren ein kleines App-Universum mit schön gestalteten Puzzle- und Lernspielen für Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter entstanden. - Toca Boca-Apps
Ebenfalls für kleinere Kinder ab drei Jahren sehr gut geeignet sind die Spiele von Toca Boca. In den unterschiedlichen Minispielen können die Kinder einen Friseursalon leiten, Tiere pflegen oder auf dem Bauernhof arbeiten. Tipp: Toca Boca bietet manchmal als Angebot alle Spiele in einem kostengünstigen Bundle an. - Fox und Sheep-Apps
Die Kinder-Apps von Fox & Sheep sind ebenfalls sehr liebevoll gestaltet und werbefrei. Der Klassiker Schlaf gut kann Kindern beim Einschlafen helfen und der Streichelzoo von Christoph Niemann bereitet den Kleinen meist viel Freude. - Card Crawl
Ein fantasievoll gestaltetes Kartenspiel. Hat man die Regeln einmal verinnerlicht bietet es ewig langen Spielspaß. Für Erwachsene und Kinder ab sieben Jahre. - Alto’s Adventure und Alto’s Odyssey
Bei den beiden Spielen steuert man einen Snowboarder durch eine Hügellandschaft. Das Spielprinzip ist simpel. Man muss eigentlich nur im richtigen Moment springen. Trotzdem ist es so abwechslungsreich gestaltet.
DIE WAHL DES PASSENDEN SMARTPHONE-TARIFS
Liegt das Smartphone dann im Warenkorb, bleibt noch eine letzte, große Frage offen: Welcher Tarif ist für das Kind der richtige? Mittlerweile sind die Handytarife für Telefonate und Internetnutzung weitaus erschwinglicher als noch vor zehn oder 15 Jahren. Studien zeigen, dass mittlerweile vielmehr der Kauf von Apps den größten Kostenfaktor bei Jugendlichen und Kindern ausmachen. Um diese Kostenfalle zu vermeiden, empfiehlt sich dringend ein aufklärendes Gespräch mit dem Nachwuchs, wie versteckte Kosten in Form von In-App-Käufen entdeckt und vermieden werden können.
Grundsätzlich eignet sich ein Flat-Tarif, der 1 GB Datenvolumen für die Internet-Nutzung vorsieht, am besten für die Bedürfnisse der frischgebackenen Smartphone-Besitzer. So können die Kinder Videos schauen, Bilder verschicken und Sprachnachrichten aufnehmen, ohne allzu schnell an das Tarif-Limit zu stoßen. Allerdings raten Pädagogen dazu, dass die Kinder von Anfang an einen Teil der Tarifkosten von ihrem Taschengeld bezahlen. Dieser Anteil darf auch ruhig klein sein, solange die Kinder verstehen, dass die Nutzung des Smartphones nicht einfach gratis ist, sondern Verantwortung und einen bewussten Umgang einfordert – und das nicht nur, wenn es am Ende des Monats um die Handyrechnung geht. Nähere Infos zu den unterschiedlichen Möglichkeiten für Kindertarife können hier nachgelesen werden.