Ein zweites Leben nach dem Tod: Der Beruf des Einbalsamierers
Einbalsamierer zählen zu den exotischsten Berufen Deutschlands: Mit ihren Techniken können sie alle Zeichen der Vergänglichkeit vorübergehend vertreiben und den Toten ein zweites Leben schenken.
Wohl kaum jemand setzt sich gerne mit seinem eigenen Tod und Begräbnis auseinander, doch für Menschen wie Detlef Mock gehören diese Gedanken zum Alltag. Der 46-jährige Brandenburger ist seit den 90er Jahren als Bestatter tätig und kümmert sich um die Überführung Verstorbener zum Sterbeort, betreut Familienangehörige bei der Organisation des Begräbnisses und berät bei der Auswahl von Grabsteinen, Särgen und Urnen. Doch trotz dieses breiten Aufgabenfeldes stoßen Bestatter wie Mock im Laufe ihrer Karriere an Grenzen, die nur mit einer besonderen Fortbildung überschritten werden dürfen. Soll ein Leichnam beispielsweise ins Ausland überführt oder während des Gottesdienstes für alle Anwesenden sichtbar aufgebahrt werden, verlangt es nach einem Spezialisten: Nur die sogenannten Thanatopraktiker oder auch Einbalsamierer dürfen diese verantwortungsvollen Aufgaben übernehmen; die Verstorbenen für ein kurzes, zweites Leben nach dem Tod herzurichten.
Ein schwieriger Beruf mit Tradition
Der exotisch klingende Begriff “Thanatopraxie“ leitet sich vom altgriechischen Namen des Totengotts Thanatos ab und blickt damit auf eine Jahrtausende alte Tradition innerhalb der Medizingeschichte zurück. Der Begriff lässt sich dabei wohl am ehesten als “Einbalsamierer“ übersetzen und erlaubt nach erfolgreicher Fortbildung die Wiederherstellung des ästhetischen Erscheinungsbildes eines Verstorbenen. Auch nach einem schweren Unfall, der zum Tod geführt hat, leisten Thanopraktiker einen wichtigen Beitrag, um den Körper des Toten wieder so zu rekonstruieren, dass seine Hinterbliebenen ein ästhetisches letztes Bild von ihm in Erinnerung behalten können. Daneben leistet dieser Beruf aber auch bei der Trauerbewältigung einen wertvollen Dienst: Mit den Methoden des Einbalsamierers kann der Zeitpunkt eines Begräbnisses um bis zu vier Wochen nach dem Todeszeitpunkt hinausgeschoben werden. Das gibt Familienangehörigen und Nahestehenden des Verstorbenen genug Zeit, um sich gebührend zu verabschieden und den Todesfall zu verarbeiten. Hierfür ist es für einen guten Thanatopratiker unerheblich, ob die Leiche zum Zeitpunkt seiner Behandlung bereits Verfärbungen (wie zum Beispiel nach einem Herzinfarkt) aufweist oder unbehandelte, offene Wunden zeigt – doch diese Arbeit erfordert viel Wissen über den menschlichen Körper und eine gewisse Abgeklärtheit bei operativen Eingriffen.
So gehört beispielsweise zum Einmaleins eines Thanopraktikers, das Blut der Verstorbenen durch eine chemisch aufbereitete Flüssigkeit namens Formalin auszutauschen, die den Körper von innen frisch halten soll. Hierfür muss ein Zugang zur Halsschlagader freigelegt werden, um die konservierende Lösung in die Blutbahn zu leiten. Wichtig bei dieser Prozedur ist die richtige Abmischung des Formalins, das den Verwesungsprozess bis zur Bestattung lediglich verzögern und nicht etwa wie bei den Einbalsamierern des Alten Ägyptens auf ewig unterbinden soll. Dieser kleine, aber feine Unterschied ist der Grund, warum die Arbeit der modernen Einbalsamierer auch “Modern Embalming“ genannt wird und damit die moderne thanatopraktische Arbeit von ihren antiken Ursprüngen abgrenzt.
Ein Exot der deutschen Begräbniskultur
Wenig überraschend ist die Ausbildung zu diesem anspruchsvollen Beruf alles andere als einfach. Nicht zuletzt deswegen wird sie nur von wenigen Bestattern tatsächlich auch angetreten. Nach Angaben des Verbands “Deutsche Einbalsamierer e.V.” werden in Deutschland nur etwa ein Prozent der Verstorbenen jährlich thanatologisch behandelt, während die Briten auf 65 Prozent kommen und die Franzosen mit noch immerhin 40 Prozent deutlich häufiger auf die Möglichkeit der Einbalsamierung zurückgreifen. Der Einbalsamierer ist seit Jahrzehnten ein Exot innerhalb der deutschen Begräbniskultur: Nur etwa 200 Thanatopraktiker kommen derzeit auf 800.000 Tote pro Jahr. Und so ist es auch kaum mehr verwunderlich, dass ein Teil dieser Fortbildung nur in England absolviert werden kann – hier sind die erfahrensten Vertreter dieses Berufsstandes tätig. Insgesamt 200 Stunden Unterricht müssen die auszubildenden Thanatopraktiker nehmen, gefolgt von einem 14-tägigen Praxiskurs in England und schließlich einer Abschlussprüfung, die vor der Handwerkskammer Düsseldorf absolviert werden muss.
Um zu garantieren, dass die Auszubildenden ihr Handwerk wirklich gut verinnerlicht haben, werden grundsätzlich nur Personen zur Prüfung zugelassen, die – unabhängig von ihrem Verhalten und Lernerfolg im Unterricht – mindestens 80 Leichen erfolgreich und unter Aufsicht einbalsamiert haben. Es ist eine durchaus anspruchsvolle Fortbildung, die den Absolventen nach erfolgreichem Abschluss umfangreiche Kenntnisse in der Chemie, Pathologie, Physiologie und sogar der Medizingeschichte bescheinigt. Damit gehören Thanatopraktiker zu den am besten ausgebildeten Personen im gesamten Bestattungswesen.
Servicetelefon zur Thanatopraktiker-Vermittlung
Wer die Dienste eines ausgebildeten Einbalsamierers annehmen möchte, sieht sich allerdings unter Umständen mit einigen organisatorischen Herausforderungen konfrontiert: Die wenigen Thanatologen Deutschlands konzentrieren sich auf die Großstädte des Landes, ein Transport des Leichnams in ihre Behandlungsräume ist meist kompliziert und kostspielig. Aus diesem Grund bietet der Verband “Deutsche Einbalsamierer e.V.” seit Jahren ein Servicetelefon an, das bei der Beantwortung dieser organisatorischen Fragen helfen soll. Auch ein beratendes Gespräch beim örtlichen Bestatter kann dabei helfen zu entscheiden, wie die letzten Tage eines verstorbenen Menschen bis zur Bestattung aussehen sollen.